Abbas Maroufi ist tot – Das Ende des Exil-Elends

In Kultur

Iranischer Autor und Publizist Abbas Maroufi ist tot. Er starb im Alter von 65 an Krebs im Berliner Exil. Maroufi gehörte zu den bedeutendsten Autoren iranischer zeitgenössischer Literatur. Seine Romane verkauften sich teilweise über drei Jahrzehnten nach der Erstveröffentlichung noch als Bestseller.
September 2020 kündigte er zuerst an, dass er an Krebs litt. In den letzten Monaten verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand.
Masroufis erstes Buch, eine Sammlung von Kurzgeschichten, erschien 1980, direkt nach der Islamischen Revolution 1979, als er 23 Jahre alt war. Es folgten einige Theaterstücke, die in den 80er Jahren in Teheran auf die Bühne gingen. Doch es war sein Debütroman, der ihn in der Öffentlichkeit und abseits der Kulturszene bekannt machte: Samfūnī-ye Mordegān, auf deutsch Symphonie der Toten, erschien 1989 in Teheran. Da erzählt Maroufi die Geschichte eines romantischen Intellektuellen in einer reichen, religiös-konservativen Familie in Ardabil im iranischen Aserbaidschan. Der moderne Sohn, der für freiheitliche Werte, für eine neue Gesellschaft steht, hat gegen seinen Vater, einen religiösen Geschäftsmann, gegen die korrupte Justiz und Polizei, gegen die erzkonservative Gesellschaft keine Chance.

Ein frischer Wind in Literatur

Maroufis Werke sind von neuen literarischen Formen geprägt, die zuvor der iranischen Leserschaft nicht bekannt waren. Etwa in Sal-e Balvwā, auf deutsch Im Jahr des Aufruhrs. Geschichte einer Liebe wird die Geschichte in Form von Erinnerungen an die Vergangenheit erzählt. Oder in Peykar-e Farhād, auf deutsch Die dunkle Seite wird die Geschichte von Die blinde Eule, dem berühmtesten persischen Roman von Sadegh Hedayat, von der Perspektive der weiblichen Figuren der Erzählung dargestellt.
Abgesehen von seinen Romanen spielte die Literaturzeitschrift Gardūn, auf deutsch Himmelsgewölbe, die Maroufi zwischen 1990 und 1995 herausgab, eine führende Rolle in der Kulturszene von frühen 90ern Jahren, in denen der massive Druck des iranischen Staates auf die unabhängigen Kulturschaffenden und Künstler:innen ihren Höhepunkt erreichten. Maroufi gründete den Literaturpreis Gardūn, den einzigen nicht-staatlichen Literaturpreis in jenen Jahren.

Sein Mut zeichnete sich ab, als seine Zeitschrift dem Verband iranischer Schriftsteller:innen, der sich unter Beobachtung des Geheimdienstes wieder organisieren wollte, eine große Berichterstattung schenkte, was 1995 letztendlich zum Verbot der Zeitschrift und der Verfolgung Maroufis geführt hat. Mehrere Mitglieder des Schriftstellerverbands wurden in den folgenden Jahren inhaftiert, entführt, ins Exil vertrieben und sogar ermordet.

Maroufi wurde in dem sogenannten Revolutionsgericht wegen des Inhaltes seiner Zeitschrift zu zwei Jahren Haftstrafe und 100 Peitschenhieben verurteilt. Es gab sogar Rede von einer Todesstrafe. Der Druck auf ihn begrenzte sich nicht auf die juristischen Vorgänge des islamischen Regimes. 1993 wurde er nach einer Veranstaltung auf offener Straße von den Geheimdienstagenten in Zivil und islamistischen Fanatikern so gewaltig verprügelt, dass er fünf seiner Zähne verlier.

Maroufi landete 1996 über Pakistan in Deutschland, zuerst in NRW, wo ihm durch das Stipendium des Heinrich-Böll-Hauses gewährt wurde.
Während seine im Exil geschriebenen Romane noch gute Rezensionen bekommen haben, musste Maroufi unterschiedliche Brotjobs annehmen, darunter Hotel-Management, bis er 2003 das Haus der Kunst und Literatur Hedayat in der Berliner Kantstraße gründete. Hedayat-Haus ist nicht nur der größte persische Buchladen in der Diaspora, da hat Maroufi über die Jahre Literaturveranstaltungen und Literaturwerkstätten organisiert. Im Gardūn-Verlag hat er zahlreichen jungen Schriftsteller:innen im Exil die Möglichkeit gegeben, ihre Bücher veröffentlichen zu lassen.

Das unerträgliche Elend des Exils

Maroufis Bücher sind in verschiedene Sprachen übersetzt, darunter auch ins Deutsche. Er etablierte den größten iranischen Buchladen Europas und einen angesehenen Verlag. Doch trotz all seiner Erfolge in Deutschland konnte sich Maroufi im Exil nie eingewöhnen. In einem Interview mit BBC Persian sagte er 2004:

„Man kann seinen Baum nicht in den Boden pflanzen, den er nicht hat. Wir Exilanten legen die Wurzel des Baumes unserer Werke ins Wasser, um ihn eines Tages in unseren Boden zu pflanzen.“

2015 kündigte er an, dass er im Februar 2016, eben am 20. Jahrestag seines Exils, in den Iran zurückziehen wolle. Doch die Reaktion durch den iranischen Staat war so bedrohlich, dass der damals noch 59-jährige Autor auf eine Rückkehr verzichtete.
Auch in seinen Werken setzte er sich mit dem Thema Diaspora und dem Leben im Exil auseinander, etwa in Tamāman Makhsūs auf Deutsch Völlig speziell, in dem er die Geschichte eines im Exil lebenden Autors erzählt, der ihm selbst sehr ähnelt.
Maroufi hat nie die Chance gehabt, die noch im Wasser liegenden Wurzeln seiner Werke in den Boden seiner Heimat zu pflanzen.

 

Foto: © Sepehr Atefi

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