Keywan Karimi musste wegen seines Dokumentarfilms “Writing on the City” im Iran ins Gefängnis. Jetzt läuft die Doku in Berlin. Und im Iran häufen sich die Zeichen der Hoffnung für die Kultur.
An diesem Mittwoch kann man ihn sehen, auf einer Veranstaltung der Nah- und Mittelost-Plattform „Al Sharq“ in Berlin: den Dokumentarfilm „Writing on the City“, der dem iranischen Regisseur Keywan Karimi eine Verurteilung zu 223 Peitschenhieben und sechs Jahren Freiheitsstrafe einbrachte. Für einen 60-Minuten- Film über die Graffitis und Slogans an den Häusern und Mauern von Teheran, von der Revolution 1979 bis zum Ende des Green Movement 2011.
2013 war Karimi verhört worden, 2014 und 2015 musste er acht Mal vor Gericht erscheinen, bis im Oktober 2015 das Urteil fiel. Dennoch sagte Karimi damals,er habe nicht vor, sein Land zu verlassen. Das Urteil wurde abgemildert, auf ein Jahr Gefängnis und die Peitschenhiebe, abgeholt wurde Karimi aber (noch) nicht. Im Gegenteil, er drehte sein Spielfilmdebüt, die schwarz-weiße Überwachungs-Parabel „Drum“ um einen Anwalt und ein mysteriöses Paket, die 2016 in Venedig uraufgeführt wurde und kürzlich beim Berliner Visionär Film Festival ausgezeichnet wurde. Ins Gefängnis musste Karimi schließlich doch, im vergangenen November, trotz internationaler Proteste. Am 19. April kam er wieder frei, auf Bewährung.
Wie ist die Lage für Irans Kulturschaffende jetzt, nach der Wiederwahl des Reformers Hassan Rohani? „Ich bin geduldig“, sagt der Regisseur und Schriftsteller Kyanoush Ayari. Meldungen zufolge hat sein seit sechs Jahren verbotener Film „Das Vaterhaus“ Chancen, endlich ins Kino zu kommen. Es geht um einen sogenannten Ehrenmord, um den Versuch der Frauen in einer Familie, das Geheimnis dieses Mords zu lüften, während die männliche Verwandtschaft genau dies verhindern will. Aber die im Film gezeigte familiäre Gewalt dürfte den immer noch mächtigen Konservativen weiterhin nicht passen – weshalb sie „Das Vaterhaus“ womöglich doch nicht freigeben. Auch Ayaris nächster Film, „Das Sofa“, erhielt bisher keine Verleihgenehmigung.
Zur Zeit finden Konzerte statt, die bisher regelmäßig von den Hardlinern verhindert wurden
Ayari ist trotzdem voller Hoffnung, dass an den Meldungen etwas dran ist. „Jede Filmvorführung ist ein Zeichen für eine Öffnung der Kulturszene. Und es wäre ein guter Start für die neue Regierung.“ Zumal die Zeichen sich häufen. Am letzten Freitag konzertierte der Komponist und Tar-Spieler Keywan Saket im südiranischen Abadan, allen Drohungen der Konservativen zum Trotz. Die Hardliner hatten die Veranstalter einzuschüchtern versucht, aber die Regierung unterstützte Sakets Ensemble. Ein Sieg für die Reformer, hatten sich die Erzkonservativen in den letzten vier Jahren doch regelmäßig eingemischt und bereits genehmigte Konzerte oft in letzter Sekunde verhindert.
Bei der Präsidentschaftswahl im Mai ging es auch um die Wahl zwischen zwei kulturellen Lagern. Auf der einen Seite der Ultra-Konservative Raisi und sein Schwiegervater Ahmad Alamolhoda, der Vertreter des Obersten Religionsführers Chamenei in der heiligen Stadt Maschhad, der einen Feldzug gegen Popkonzerte führt. Die heilige Stadt „sei kein Ort für Tourismus und Genusssucht“, hatte er betont. Am liebsten hätte er über das ganze Land ein Konzertverbot verhängt. Und auf der anderen Seite Rohani, der sich vom moderaten Konservativen zum Reformer entwickelt hat und im Wahlkampf von Kulturschaffenden, Dissidenten und Oppositionellen unterstützt wurde.
Der Wahlausgang werde positive „Auswirkungen auf die Zukunft der Kulturszene haben“, meint der Schriftsteller und Journalist Kaveh Fouladinasab. Aber man müsse Geduld haben, denn die radikaleren Wahlversprechen Rohanis – etwa die Abschaffung der Zensur – stoßen auch auf Widerstand. Seine Anhänger werden die Realisierung solcher Versprechungen allerdings einfordern, und sei es für die zweite Hälfte von Rohanis Amtszeit.
Geduld haben und weiter die eigene Sache vertreten
Die Jahre unter Rohanis Vorgänger, Mahmud Ahmadinedschad, seien für die Kultur die schlechteste Zeit gewesen, so Fouladinasab. Schon in der ersten Amtszeit von Rohani hat sich einiges gebessert, aller Willkür und allem Machtkampf zwischen Hardlinern und Reformern zum Trotz. So konnte etwa Abutorab Khosravis mutiges Buch „Die Engel der Folter“ unter Ahmadinedschad nur im Ausland auf Farsi erscheinen, unter Rohani dann aber im Iran verlegt und mit dem bedeutendsten staatlichen Literaturpreis ausgezeichnet werden.
Müssen sich Filmemacher, Musiker, Theaterleute und Schriftsteller also nur weiter in Geduld üben? „Ideal wäre es, wenn wir gar keine Genehmigung mehr bräuchten“, sagt Fouladinasab. Aber das sei nicht realistisch. „Präsident Rohani vereint 24 Millionen Stimmen auf sich.“ Wähler, die unterschiedliches wollen, das könne man nicht ignorieren. Aber wir müssen unser kulturelle und politische Unabhängigkeit behalten und auf unsere Forderungen bestehen.“