Massaker im Sommer 1988 – Die Vergangenheit holt uns ein

In Politik und Wirtschaft

„Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen.“ Das Massaker von 1988 an den politischen Gefangenen im Iran ist ein Beleg dieses Zitats von William Faulkner.

Nachdem im Sommer 2016 eine Audiodatei des Gesprächs zwischen Montazeri, dem damaligen Nachfolger von Chomeini und drei Zuständigen der damaligen Judikative zum ersten Mal veröffentlicht wurde, ist das Thema wieder aktuell. Der Sohn von Montazeri ist angeblich wegen Veröffentlichung der geheimen Dokumente zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Die Massenhinrichtung begann vermutlich am 30. Juli. Die Gefangenen wurden vor ein Komitee gebracht, das von Iranern „Todesausschuss“ genannt wird, und wurden gefragt, ob sie ihrer politischen Zugehörigkeit abschwören, ob sie Ritualgebet sprechen und ob sie an die Islamische Republik glauben.

Wer auf das Verhör, das ein paar Minuten dauerte, mit Nein geantwortet hat, wurde hingerichtet. Viele sind auf dem Khavaran Friedhof in der Nähe von Teheran beerdigt. Die Gräber wurden aber bisher den Familien und Angehörigen nicht gezeigt. Jedes Jahr bei der Versammlung der Familien zur Erinnerung an die Getöteten sperrt die Sicherheitspolizei den Friedhof.

Versammlung der Familien auf Khavaran-Freidhof

Sobald er von der Massenhinrichtung Bescheid bekommen hatte, schrieb Montazeri einen Brief an Chomeini und versuchte, ihm davon abzuraten.

Ayatollah Hossein Ali Montazeri

Am 15. August 1988 berief er die vier beteiligten Behörden, also die Mitglieder des Todesausschusses, ein und sagt ihnen, laut Audiodatei, „meiner Ansicht nach ist das größte Verbrechen in der Islamischen Republik von euren Händen begangen worden, für das uns die Geschichte verurteilen wird. Man wird euren Namen als Kriminelle in der Geschichte schreiben.“

Diese Audiodatei ist der erste Beweis der Massenhinrichtungen, in dem die Behörden, die am Massenmord beteiligt waren und verantwortlich sind, selbst und direkt darüber sprechen und explizit zustimmen, dass sie Töten veranlasst haben.

Mostafa Pourmohammdi, einer der Ansprechpartner Montazeris, hat nach der Veröffentlichung der Gesprächsaufnahme angekündigt, dass er auf seine Rolle im Sommer 1988 stolz sei, weil er nur die Befehle Gotts ausgeführt habe.

Pourmohammdi, der zur Zeit Justizminister im Kabinett Rohani ist, sagte vor ein paar Jahren, dass er im Jahr 1988 keine Verantwortung beim Geheimdienst gehabt habe.

Später in der Audioaufnahme sagt Montazeri dem Todesausschuss, seitdem er davon gehört habe, könne er nicht einschlafen. „Was wollt ihr den Familien sagen?“ fragt er Hossein Ali Nayyeri, Scharia-Richter, Morteza Eshraghi, damaliger Staatsanwalt in Teheran, seinen Assistent, Ebrahim Raisi, und Pourmohammadi.

Die Überlebenden und Angehörigen der Opfer bezeichnen die Ereignisse dieses Sommers als „der iranische Holocaust“, besonders deshalb, weil die Gefangenen für die Behörden nicht als Menschen galten, sondern nur als eine Nummer, was auch in der veröffentlichten Audiodatei zu hören ist, wenn ein Mitglied der Behörden zu Montazeri sagt „wir haben schon 200 von ihnen in die Einzelzelle gebracht und wir können sie nicht in die normale Haft zurück bringen“, weil sie den anderen Bescheid geben würden, was tatsächlich los sei, und er bittet ihn „erlauben Sie uns bitte , diese 200 Gefangene hinzurichten“ und Montazeri sagt „meiner Meinung nach dürfen Sie keinen einzigen Menschen umbringen.“

Der Sohn von Ayatollah Montazeri,

Auch drei Dekaden nach dem Massenmord hat noch niemand die Verantwortung übernommen. Der Versuch der Regierung, die Tragödie aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit zu tilgen, war allerdings bisher ohne Erfolg.

Ahmad Montazeri, der Sohn des damaligen Nachfolgers von Chomeini, hat angekündigt, falls er hinter Gitter gebracht werde, veröffentliche er die anderen Beweise des grauen Sommers. Er wurde am 22. Feb verhaftet, wahrscheinlich um seine Verurteilung ausgeführt zu werden, wurde aber nach einem Tag wieder freigelassen.

Montazeri starb im Jahr 2009, in der Zeit, als ihn die Anhänger der Grünen Bewegung als ihren Geistigen Vater bezeichneten. Rafsandschani, ein anderer mutmaßlicher Beteiligter am Massenmord ist im Januar 2017 gestorben.

Die Stimmen der Familien und politischen Angehörigen der Toten sind aber noch laut, solange die Beteiligten nicht vor Gericht gestellt werden.

Die Vergangenheit ist aber nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen. Das ist genau die Vergangenheit, die uns einholt.

Eines der ersten Bilder des Khavaran-Friedhof

Mobile Sliding Menu