In Erinnerung an ermordete Schriftsteller: Tag des Widerstands gegen Zensur

In Politik und Wirtschaft

Islamische Republik Iran hat zahlreiche kritische Intellektuelle ermordet. In deren Erinnerung heißt der 4. Dezember den Tag des Wiederstands gegen Zensur.

 

Verein iranischer Schriftsteller:innen ehrt seit 2008 den 4. Dezember als den Tag des Widerstands gegen Zensur. Der Anlass ist die Ermordung zwei Mitglieder des Vereins, die jeweils am 3. und 9. Dezember 1998 durch den Sicherheitsapparat der Islamischen Republik umgebracht wurden.

Ende November und Anfang Dezember 1998 bleiben in der kollektiven Erinnerung der Iraner:innen, besonders deren, die gegenüber dem Regime kritisch stehen, als eine Zeit der Schreck und Terror.

Am 22. November jenes Jahres brach die Nachricht aus, dass das Ehepaar Forouhar in ihrem Haus im Süden Teherans auf einer extrem grausamen Weise getötet wurden. Dariush Forouhar, Führer der

Forouhars wurden in ihrem Haus brutal abgestochen.

iranischen Nationalpartei und einer der Spitzenfiguren iranischer Opposition starb an 11 Messerstichen. Seine Ehefrau Parvaneh Eskandari (Forouhar) erlitt 24 Messerstichen. Laut Berichten, die später ans Licht kamen, hatten die Attentäter Parvaneh, die in der Zeit 60 Jahre alt war, die Brüste abgeschnitten. Dariush und Parvaneh setzten sich in der ersten Linie für Trennung von dem Staat und der Religion und kämpften für Abschaffung von Todesstrafe. Dariush, der bei der Ermordung 69 Jahre alt war, saß jahrelang im Gefängnis, sowohl während des Schah-Regimes als auch nach der Islamischen Revolution 1979. Im sogenannten Revolution Kabinett war er Arbeitsminister, allerdings für eine kurze Zeit. Relativ früh hatte er seinen Weg vom islamischen Regime getrennt.

Dichter Mokhtari wurde entführt und stranguliert.

Mord an dem Dichter

Am 3. Dezember jenes Jahres verschwand Dichter, Literaturkritiker und Mitglied im Verein iranischer Schriftsteller:innen Mohammad Mokhtari auf dem Weg nach Hause. Mokhtari spielte eine große Rolle in der Organisation des Vereins und im kollektiven Widerstand iranischer Kulturschaffender gegen Zensur. Er saß in den 1980er Jahren zwei Jahre im Gefängnis. Am 3. Dezember 1998 entführten ihn vier Agenten des Ministeriums für Nachrichtenwesen der Islamischen Republik, eines von beiden zentralen Geheimdiensten des Landes. Mokhtari wurde zu einem sogenannten Safe House des Ministerium gebraucht. Da haben die Sicherheitskräfte stranguliert. Am 10. Dezember hat die Polizei seine Leiche in einer Vorstadt Teherans gefunden.

Terror eines Übersetzers

Am 9. Dezember 1998 verlass Übersetzer, Schriftsteller und Soziologe Mohammad Jafar Pouyandeh sein Zuhause, während er gewusst haben sollte, dass die Sicherheitskräfte ein Attentat auf ihn geplant hatten. Denn sein enger Freund und Kollege Mokhtari war seit einigen Tagen verschwunden. Pouyandeh war ebenfalls ein zentrales Mitglied des Vereins iranischer Schriftsteller:innen. Er hatte Werke von Lukács, Goldmann, Balzac, und vielen anderen ins Persische übersetzt und auch zum ersten Mal „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der UN. Er setzte sich aktiv gegen staatliche Zensur ein.
Pouyandeh wurde auf der Straße entführt. Als ihn die Attentäter gewaltsam ins Auto drücken wollten, sollte er gerufen haben: „Leute! Ich bin Mohammad Jafar Pouyandeh!“, um die Öffentlichkeit über seine Entführung zu informieren.
Die Agenten des Sicherheitsapparates haben an demselben Tag ebenfalls stranguliert. Seine Leiche wurde am 11. Dezember aufgefunden.
Jahre später sagte seine Frau in einem Interview, er habe gewusst, was auf ihn zukommen würde. Jedoch habe er das Haus verlassen, damit die Sicherheitskräfte nicht zu ihm nach Hause kommen und seine Familie stören.

Enthüllung ohne Konsequenzen

Durch Recherche unabhängiger Presse und einzelner Journalist:innen stellte es sich heraus, dass diese vier Morde ein kleiner Teil einer großen Mission waren. Zahlreiche andere Oppositionelle waren in vergangenen Jahren innerhalb und außerhalb des Landes entführt und ermordet, darunter Dichter:innen, Schriftstellerin, Sänger:innen,  Politiker:innen und soweiter.. Das Geschehen wird heute als „Kettenmorde“ bezeichnet.

Unter Druck der Zivilgesellschaft musste Teil der Regierung auf die Morde reagieren. Einige Beamte des Geheimdienstes wurden vorläufig festgenommen oder vom Dienst erlassen. Das Ministerium übernahm die Verantwortung für die Attentate in diesen drei Fällen (Mord an vier Menschen), jedoch nicht für die zurückliegenden Fälle.
Mittlerweile wurde bekannt, dass auf der Todesliste des Geheimdienstes mindestens vier weitere Intellektuelle standen, alle Mitglieder des Vereins der Schriftsteller:innen.

Die Familien und Angehörigen der Opfer suchen weiterhin nach Gerechtigkeit. Denn ihrer Meinung nach haben die eigentlichen Auftraggeber und Attentäter nie die Verantwortung übernommen.

 

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